Die Digitalisierung in Europa
Die gematik hat im Juli ihre Europakarte zum Fortschritt und den Herausforderungen der Digitalisierung im Gesundheitssektor der europäischen Nachbarländer aktualisiert und neue Erfahrungsberichte von Anwender:innen aus Europa zusammengestellt.
Ein Blick über deutsche Ländergrenzen hinaus
Die Betrachtung der gematik legt den Schwerpunkt vor allem auf die Anwendungen E-Rezept, elektronische Patientenakte und die Verwendung digitaler Identitäten. Dieser Beitrag wirft einen Blick auf ausgewählte Länder und deren Erfolgsgeschichte in der Digitalisierung und stellt einen Vergleich zum aktuellen Fortschritt in Deutschland her.
Status Quo in Deutschland
Zur Einordnung und für einen besseren Vergleich betrachten wir vorweg die Einführung und Akzeptanz der erwähnten Anwendungen in Deutschland, wobei digitale Identitäten ausgeklammert werden, da diese bisher zwar schon zum Teil verfügbar, aber noch sehr eingeschränkt nutzbar sind.
E-Rezept
Noch vor dem ersten verpflichtenden Einführungsdatum des E-Rezepts am 01.01.2022 wurde der geplante Start verschoben. In der damaligen Testregionen traten erhebliche Probleme auf, sodass nur wenige E-Rezepte ausgestellt werden konnten. Das Bundesgesundheitsministerium entschied sich daher, die Einführung zu verschieben, da die erforderlichen technischen Systeme noch nicht flächendeckend verfügbar waren. Die Einführung wurde auf einen sukzessiven Roll-out-Prozess umgestellt, um schrittweise die technischen und organisatorischen Herausforderungen zu bewältigen.
Ab dem 1. September 2022 wurden Apotheken verpflichtet, E-Rezepte anzunehmen, während Arztpraxen und Kliniken ab dem folgenden Jahr schrittweise einbezogen werden sollten. Seit dem 01.01.2024 ist das E-Rezept, bis auf wenige Ausnahmen, für verschreibungspflichtige Medikamente verpflichtend. Infolgedessen wurde das E-Rezept mittlerweile über 45 Millionen Mal eingelöst.
Elektronische Patientenakte (ePA)
Mit dem am 21. Dezember 2015 verabschiedeten E-Health-Gesetz (Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen) wurde die Einführung einer elektronischen Patientenakte (ePA) in Deutschland als wesentlicher Teil der Telematikinfrastruktur formal verankert. Die tatsächliche Umsetzung und Einführung der ersten Version der ePA erfolgte im Jahr 2021.
Mit der Einführung des Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz oder Digi-D) ist nun geplant, die „ePA für alle“ am 15. Januar 2025 verpflichtend einzuführen, um die Anwendung endgültig zum erwünschten Erfolg zu führen. Eine wesentliche Veränderung durch das Gesetz ist die Umstellung des Einwilligungsverfahrens auf eine Opt-out-Lösung, wie es in vielen Nachbarländer bereits der Fall ist, um eine breitere Akzeptanz unter den Versicherten zu erreichen.
Die ePA wird dann automatisch für jede:n Patient:in durch die zugehörige Krankenkasse angelegt, wohingegen zuvor die ePA aktiv von den Versicherten beantragt werden musste. Zudem sollen gesetzliche Befüllungspflichten für Leistungserbringer die inhaltliche Ausgestaltung und Nutzung der ePA voranbringen.
Der Ländercheck – zwei Erfolgsgeschichten
Dänemark hat eine über 20-jährige Vorreiterrolle bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Bereits 1977 wurde ein landesweites Patientenregister eingeführt, was den Grundstein für die elektronische Patientenakte (ePA) legte, die 2012 final folgte. Die ePA umfasst Arztberichte, Medikationslisten und Diagnostikdaten. Das Patientenportal „sundhed.dk“ bietet Zugang zu diesen Daten, ermöglicht die Nutzung des E-Rezeptes und enthält weitere Funktionen wie Terminvereinbarungen bei Ärzt:innen und das eigene Impfregister. Fast alle dänischen Leistungserbringer sind an die ePA angeschlossen. Über 85 % der Rezepte werden, seit der Einführung 1994, elektronisch ausgestellt (Quelle: Springermedizin 2019)
Estland hat die Digitalisierung im Gesundheitswesen konsequent vorangetrieben. Im Jahr 2008 wurde ein landesweites E-Health-System eingeführt, um Ressourcen effizienter zu nutzen und Verwaltungsaufwände zu reduzieren. Elektronische Patientenakten, Medikationspläne und Rezepte gehören zu den Hauptfunktionen. Über das Patientenportal können Bürger:innen ihre Gesundheitsinformationen verwalten und medizinische Unterlagen einsehen. Fast alle Haus- und über die Hälfte der Facharztpraxen sowie alle Krankenhäuser sind integriert und nutzen die elektronische Patientenakte, welche 2001 eingeführt wurde. Nur 0,6 % der Bevölkerung haben die Opt-out-Option genutzt, was das hohe Vertrauen in das System unterstreicht. Das E-Rezept folgte 2010. Die E-Health-Strategie in Estland wird kontinuierlich weiterentwickelt, um personalisierte Medizin zu fördern und die Datenqualität zu verbessern. (Quelle: Springermedizin 2019)
Der Vergleich im Überblick
Im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit der Einführung des E-Rezeptes auf Rang 25 von 28 Ländern und auf Platz 23 für die ePA. Dabei wurden nur die Einführungsdaten der jeweiligen Anwendungen je Land gegenübergestellt, führend ist das älteste Einführungsdatum bis heute. Die Darstellung betrachtet nicht, ob und wie erfolgreich die Anwendungen in den jeweiligen Ländern angenommen wurden.
Im Vergleich geht es darum aufzeigen, wie lange sich die unterschiedlichen Länder bereits mit der Digitalisierung der Gesundheitsbranche beschäftigen und deren Ausbau vorantreiben. Gut zu erkennen ist dabei, dass die größten Entwicklungssprünge in den letzten 15 Jahren stattgefunden haben, vor allem mit einer erhöhten Einführungsrate der ePA seit 2019, wobei Deutschland sich bei beiden Anwendungen im Anschlussfeld befinden.
Die Weichen sind gestellt, doch die Reise hat gerade erst begonnen
Für Deutschland wurden vor allem in diesem Jahr viele wesentliche Grundlagen geschaffen, um die Digitalisierung des Gesundheitswesens weiter voranzutreiben. Insbesondere mit dem Digital-Gesetz, auch Digi-D genannt, wurden zentrale Voraussetzungen für den Ausbau der Telematikinfrastruktur (TI) geschaffen. Der Referentenentwurf zum Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG) stellt einen weiteren bedeutenden Schritt dar. Mit diesem Gesetz soll die gematik zur Digitalagentur umgebaut werden, mit dem Ziel, ihr erweiterte Entscheidungsmöglichkeiten zu geben. Zudem wird die TI zur Version 2.0 weiterentwickelt, wobei das TI-Gateway einen ersten großen Meilenstein auf diesem Weg darstellt.
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